Immer wieder stößt die Forderung „Für das Recht der Eltern, die Unterrichtssprache ihrer Kinder zu bestimmen“ auf Widerstand. Auch bei vielen, die ansonsten das Recht auf die Freiheit der Wahl der Sprache und den Kampf gegen den Sprachzwang unterstützen.
Diese Kritiker werden von vielen Motiven geleitet. Die Sorgen reichen von „Valenciano/Katalan etc. soll nicht aussterben“ bis „Das Kindeswohl kann durch die Ausübung von Elternrechten gefährdet werden, wenn sie kein Spanisch lernen.“ Ich habe mich mit diesen Bedenken auseinandergesetzt.
Eine Kritik lautete: „Valencianisch ist die offizielle Sprache Valencias (zusätzlich zum Kastilischen). Ich denke, es ist fast offensichtlich, dass Eltern, die nicht wollen, dass ihre Kinder Valencianisch lernen (es sei denn, es handelt sich um vorübergehend Ansässige, die nur für ein paar Jahre bleiben), ihren Kindern tatsächlich schaden, so wie ausländische Eltern in Deutschland ihren Kindern schaden würden, wenn sie nicht wollten, dass sie richtig Deutsch lernen.“
In Deutschland gibt es keine wie in Spanien definierte Amtssprache. Das ergibt sich praktischerweise aus der Kulturhoheit der 16 deutschen Staaten, die untereinander in Hochdeutsch kommunizieren. Schleswig Holstein beispielsweise zählt in einigen Bereichen Dänisch als Amtssprache. Wikipedia notiert: “So gibt es 46 Schulen, deren Unterrichtssprache Dänisch (dansk) ist.“ So wie in Spanien gibt es in Deutschland weitere Regionen mit abweichenden Amtssprachen. Für Brandenburg notiert Wikipedia: “Niedersorbisch, eine westslawische Sprache, von etwa 7.000–10.000 Menschen mit eigener Kulturgeschichte gesprochen ... hat im dortigen Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden den Status einer zweiten Amtssprache.“
Mir ist nicht bekannt, dass es in Deutschland Sprachkonflikte gibt, die auch nur annähernd das Ausmaß in Spanien erreichen. Mir ist auch nicht bekannt, dass Kinder, die in deutsche Schulen mit anderweitiger Unterrichtssprache gehen, diese Schule mit ungenügenden Deutschkenntnissen verlassen. Meine beiden Söhne machten ihr Abitur vor unserem Umzug nach Spanien im letzten Jahrhundert auf einer belgischen Schule auf Französisch. Sie hatten dort Deutsch als Fremdsprache und die Anerkennung für eine deutsche Universität war eine Formsache.
Während in Deutschland Schulpflicht besteht, gibt es für Spanien wie in vielen anderen Ländern „nur“ eine Bildungspflicht, was in meinen Augen nicht notwendig die Verpflichtung für die Erziehung in einer bestimmten Sprache enthält. Richtungsweisend ist da meines Erachtens Artikel 26 Absatz 3 der Erklärung der UN zu den Menschrechten, in meiner Übersetzung: “Die Eltern haben ein Vorrecht auf die Wahl der Art der Bildung, die ihre Kinder erhalten sollen“
Das beinhaltet für mich auch das Recht, über die Unterrichtssprache zu bestimmen. Ich möchte deshalb der Frage nachgehen, ob Elternrechte das Kindeswohl gefährden können.
Es gibt keine Statistik, wieviel Eltern noch immer entscheiden, dass für Mädchen eine einfache Bildung genügt, weil sie ja doch später heiraten und Kinder kriegen. Trotzdem wette ich, es gibt sowohl in Spanien als auch in Deutschland noch immer zu viele solcher Eltern. Ein Beispiel, das aufzeigen könnte, dass Elternrechte zur Bildung durchaus das Kindeswohl entscheidend beeinflussen können. Bleibt die Frage:
Was dient dem Kindeswohl?
Ich möchte auf das Beispiel der Amish People in den USA verweisen. Es handelt sich um eine Glaubensgemeinschaft, die im wesentlichen moderne Technik ablehnt. Sie benutzen keine Elekrizität, tragen altertümliche Kleidung und gehen überwiegend harter, körperlicher Arbeit nach. Amische Kinder sind in der Regel wesentlich gesünder und fitter als andere US-amerikanische Kinder. Bestimmt fehlt ihnen die Bildung europäischer Kinder mit Abitur, aber sind sie unglücklicher? Ist deren Kindeswohl gefährdet? Ich werde diese Lebensweise weder idealisieren, noch verurteilen, aber mit Sicherheit akzeptieren und tolerieren.
Jetzt denke ich mir ein Kind in Katalonien, im Baskenland oder in Valencia, das nur in der jeweiligen Regionalsprache unterrichtet wird und dessen Leistungen in Spanisch nur durch das bestimmt werden, was es auf der Straße oder beim Sport usw. lernt, weil die Eltern entschieden haben, es braucht keinen Spanischunterricht zu bekommen. Die spätere Berufswahl könnte beschränkt sein, aber ist das eine zulässige Kindeswohlgefährdung? Wer bestimmt denn, dass nur die schulische Spanischausbildung (oder Deutsch, Englisch usw.) zum Glück führt? Ich kenne viele Leute, die mit „einfachen“ Tätigkeiten wie beispielsweise der eines Schäfers oder Kochs absolut glücklich sind. Denia meldet stolz “Michelin-Sterne in Dénia: die 3 besten Restaurants laut Michelin-Führer 2024“ und gibt nicht bekannt, ob die Köche perfekt Spanisch oder Valenciano sprechen oder Abitur haben. Mir sind Fälle bekannt von hochgebildeten Leuten, die sich vor Lebensüberdruß umgebracht haben oder das Wohl ihrer Kinder sträflich vernachlässigt haben. Es ist fast wie mit Geld, Mehrsprachigkeit oder Abitur machen nicht glücklich, schaden aber auch nicht unbedingt.
Ich sehe keine Kindeswohlgefährdung, wenn ein Kind nur in einer spanischen Regionalsprache gebildet wird. Ich sehe eher eine Kindeswohlgefährdung, wenn ich Bildungsentscheidungen Politikern überlasse. Jetzt gibt es in Deutschland Steuergelder für Queer-Propaganda in Schulen und Kindergärten und ich hörte auch von Vorträgen von Dragqueens vor spanischen Kindern.
Auch unter denen, die jeglichen Sprachzwang ablehnen, gibt es die Befürchtung, dass mit der freien Wahl der Unterrichtssprache ohne Berücksichtigung der Regionalsprache diese in ihrer Existenz gefährdet sein könnte. Manchmal fragen sie mich: Hat Valenciano keine Rechte?
Die Antwort ist: NEIN! Menschen haben Rechte. Sprachen nicht.
Sprache ist ein komplexes System der Kommunikation. Ein Werkzeug, dass wir Menschen am höchsten entwickelt haben. Ein Werkzeug, mit dem wir auch Gefühle ausdrücken und auslösen können. Wie mit Musik. Alle Sprachen ändern sich im Laufe der Geschichte, aber sie leben nicht, selbst dann wenn man Latein verständlicherweise als tote Sprache bezeichnet.
Der Fortbestand einer Kultur, einer Musik und einer Sprache wird von denen bestimmt, die sie benutzen und weiterentwickeln wollen. Es ist verständlich und unterstützenswert, wenn man in Spanien die Rechte sprachlicher Minderheiten auf ihre Kultur und Sprache unterstützt. Dazu gehört, dass Eltern das Recht auf die Unterrichtssprache für ihre Kinder in ihrer Regionalsprache haben, sogar zu 100%. Das gilt aber genauso für Spanisch.
Eben: Freie Wahl der Unterrichtssprache! Das ist das Recht der Eltern, nicht der Sprache. Gleiches Recht für alle, aber weder gleichen noch ungleichen Zwang für Alle!
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